Ausstellung 2023
Im Sommer 2022 wurden an einer Auktion zwei prächtige Gemälde zum Kauf angeboten, die zu den seltenen Abbildungen des Seelands im 18. Jahrhundert gehören. Das Rebbaumuseum konnte beide ersteigern und stellt sie diesen Sommer vor.
Auf dem Bild «St. Johannsen» ist das Kloster Erlach, das nach der Reformation in die Landvogtei St. Johannsen umgewandelt wurde, zu sehen. Neben den alten Klostergebäuden an der Zihl, die den Neuenburgersee mit dem Bielersee verbindet, sind mehrere Schiffe dargestellt: ein Kahn wird mit Weinfässern beladen, ein anderer wird von mehreren Männern flussaufwärts gezogen. Am gegenüberliegenden Ufer sehen wir eine galante Gesellschaft, die eine Barke besteigt. Im Hintergrund ist das Nordufer des Bielersees mit La Neuveville zu sehen.
Auf dem zweiten Bild «Galante Gesellschaft» begegnen wir den Personen des ersten Bildes wieder. Vor einer Grotte werden sie empfangen und lassen sich zu einem herrschaftlichen Picknick nieder. Neben dem Landvogt und seiner Familie sind der Curé von Le Landeron, zwei Kapuzinermönchen und landvogtliches Personal anwesend.
Die Barke auf dem ersten Bild ist mit einem Sonnen- oder Regenschutz versehen. Auf dieser Plane ist das Wappen der Berner Familie Egger (silberne und schwarze Kugeln auf schwarzem und silbernem Hintergrund) auszumachen. Ein Vertreter der Familie Egger, Brandolf Egger, war von 1721 bis 1727 Landvogt in St. Johannsen. Die Gemälde müssen also in der Amtszeit dieses Landvogts entstanden sein und können deshalb auf ca. 1725 datiert werden. Auch sind die Dachkugeln auf dem Dach des Nordbaus des Klosters noch vorhanden, sie waren bereits 1742 entfernt worden. Und schliesslich zeigen sich die Personen in der herrschenden Mode der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Die Herren mit Dreispitzhut, langen Mänteln, Westen und Spitzenhemden; die Damen in prächtigen Seidenroben, mit Spitzen verzierten Hauben und Fächer.
Die Bilder stammen aus dem Schloss Amsoldingen, das der Berner Patrizierfamilie Tscharner gehört. Berühmteste Vertreterin dieser Familie ist «Madame de Meuron» Louise Elisabeth de Meuron-von Tscharner (1882-1980). Ihr Grossvater Beat Ludwig von Tscharner hatte die alte Propstei Amsoldingen 1842 gekauft und zum Schloss umbauen lassen. Eine direkte Verwandtschaft zwischen den Familien von Tscharner und Egger, die in der männlichen Linie bereits im 18. Jh. erloschen ist, konnte nicht festgestellt werden. Es ist deshalb schwierig zu sagen, wie, wann und warum die Bilder nach Amsoldingen kamen. Dass die Bilder schon dreihundertjährig sind, macht die Recherchen nicht einfacher: Augenzeugen zu befragen ist nicht mehr möglich. Gleiche oder ähnliche Bilder sind rar. Die Provenienzforschung, die oft bereits in den 1940er Jahren stockt, kann über diese vielen Generationen nicht mehr geschlossen werden. Wir wissen lediglich, dass die beiden Gemälde um 1995 im Schloss Amsoldingen fotografiert wurden. Sie waren da bereits restauriert und dubliert.
Leider ist auch der Künstler dieser beiden 72×116 cm grossen Ölgemälde unbekannt. Landvogt Egger war den schönen Künsten sehr zugetan und hatte viele Beziehungen und Freundschaften zu zeitgenössischen Malern. Es ist aber nicht gelungen, die Gemälde einem dieser Künstler zuzuweisen.
Die Bilder werfen mehr Fragen auf, als dass sie Antworten geben: Wer war der Künstler dieser grossformatigen Gemälde? War Landvogt Egger der Auftraggeber und ist Egger selbst auf den Bildern zu sehen? Wer sind die anderen Gäste? Was machen zwei Kapuzinermönche im reformierten Bern? Gibt es einen besonderen Anlass, der festgehalten wurde? Wo befindet sich die Grotte, vor der das Picknick stattfand? Gibt es die Grotte noch? Wie kam das Bild ins Schloss Amsoldingen? Wer waren die Vorbesitzer?
Trotzdem und gerade deswegen möchten wir die beiden Bilder einem breiten Publikum zeigen: Sie sind so detailreich, dass sie sich wie Bilderbücher oder Comics aus dem 18. Jh. präsentieren. Ein digitaler Ausflug soll die Besucher auf die Einzelheiten aufmerksam machen und sie durch einen Teil der Seeländer Geschichte und in die verschiedensten Themen der frühen Neuzeit führen: Politik und Staat im alten Bern, Organisation und Ökonomie der Landvogteien, Transport der Weinfässer, Treideln, wie auch Kleider- und Haarmode, Ernährung oder Ess- und Trinksitten. Mithilfe alter und neuer Karten kann zudem die Veränderung der Landschaft nach den Juragewässerkorrektionen gezeigt werden.
Und wer weiss, vielleicht können uns die Besucher und Besucherinnen helfen, einige der vielen offenen Fragen zu beantworten.
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